Mit den Aufzeichnungen des Mong Dsï folgt aus der konfuzianischen
Literatur, nach den Gesprächen des Kung nunmehr das zweite der sogenannten
»vier Bücher«. […]
Unter den Vertretern der Lehre des Kung Dsï ist weitaus der berühmteste
Mong Ko (meist Mong Dsï = Philosoph Mong genannt, woraus in Analogie zu der
latinisierten Form Konfuzius der heute in Europa übliche Name Menzius geformt
wurde). Obwohl zeitlich von dem Meister entfernt, so daß er in keine
persönliche Berührung mit ihm kam, hat er dessen Lehren in Zeiten des
Niedergangs mit großer Energie durchgesetzt. Man kann sein Verhältnis zu
Kung mit dem des Paulus zu Jesus vergleichen. In diesem Vergleich liegt
zugleich eine Wertung, die von der in Europa häufig üblichen abweicht. Mong
Dsï ist Epigone, aber eben deshalb geht er mehr auf Detailfragen ein als Kung
Dsï. Er ist rhetorischer, dialektischer. Darum kommt er dem europäischen
Geschmack in vielen Dingen näher. So kann es nicht Wunder nehmen, daß er von
europäischer Seite vielfach als der Genialere betrachtet worden ist, der noch
über Kung zu werten sei. Der englische Missionar Legge, der die Worte des
Mong Dsï mit vielem Fleiß ins Englische übersetzt hat, gibt dieser Stimmung
mit unübertrefflicher Naivität Ausdruck, indem er Mong Dsï für
bewundernswerter als Kung Dsï erklärt – freilich um dann nachträglich ein
Stück der Bewunderung nach dem andern wieder abzutragen. Der chinesische
Vergleich trifft wohl dem Wesen nach eher das Richtige, der Kung Dsï dem
milden, unauffälligen, erst eingehender Betrachtung sich offenbarenden Glanz
des Nephrits vergleicht, während Mong Dsï dem klar-durchsichtigen
Bergkristall entspreche.